Meine Reise nach Russland 2007:

Flug mit einer L-39 & mehr...

Eher zufällig kam diese Reise zu Stande. Ich wollte eigentlich nur den Besucherzähler meiner Homepage abrufen, dabei stieß ich auf das eingeblendete Werbebanner von www.MiGFlug.ch .

Da mir der Traum einmal in einem Jet mitzufliegen schon immer vorschwebte, er mir aber auf absehbare Zeit hin nicht finanzierbar erschien, hatte ich mich bis dato auch nie ernsthaft darum gekümmert.  Auf der Seite von MiGFlug fand ich allerdings ein Angebot, für das ich mich sofort begeistern konnte: Der Flug im einstrahligen Trainer L-39 Albatros in Russland und das noch beim Kunstflugteam „Wjasma Rus“!  Ich war sofort „Feuer und Flamme“, so nahm ich Kontakt zu den beiden Schweizer Organisatoren Philipp Schär und Flavio Kaufmann auf. Natürlich war die Frage, ob man den Jet auch selbst fliegen kann, diejenige, die mir am meisten unter den Nägeln brannte – schließlich wollte ich einen Vergleich zur eigenen Segelkunstfliegerei mit nach Hause nehmen. Da man mir diese Frage mit „Ja“ beantwortete, stand dem Vorhaben nichts mehr im Wege und die Vorbereitung der Reise konnte beginnen.

Wenn man jedoch schon einmal in Russland ist, möchte man natürlich noch mehr sehen: So erweiterten wir das Programm um den Besuch des staatlichen Flugzeug-Museums in Monino und des Sternenstädtchens, in dem die Kosmonauten ausgebildet werden. 

Am 18. August hob in Stuttgart der A320 der Germanwings mit mir an Bord in Richtung Moskau ab. Dort angekommen erwartete mich richtiges Sommerwetter mit Temperaturen über 30°C !

Am Montag stand der Jetflug als erster und wichtigster Programmpunkt auf der Tagesordnung. Mit zwei Limousinen fuhren wir vom Hotel aus Richtung Wjasma. Die Airbase dient in erster Linie zur Ausbildung russischer Jet-Piloten auf der L-39. Außerdem standen zahlreiche Mil-8 und Mil-24 Transport- und Kampfhubschrauber herum. Neben mir wagten noch zwei weitere Luftfahrt-Begeisterte aus der Schweiz und aus Slowenien den Flug im Strahltrainer. Begleitet hat uns unsere Übersetzerin Jana und erfreulicherweise waren Philipp und Flavio ebenfalls vor Ort. So konnte man sich nach all dem bewältigtem organisatorischen Aufwand auch einmal persönlich kennen lernen.

Nach ca. drei Stunden Fahrt kamen wir an der Airbase an. Die hinterließ sofort einen sehr „russischen“ Eindruck, den ich mit Humor zur Kenntnis nahm: Zwischen den Betonplatten der Taxi- und Runways wuchs das Gras bis zu 30 cm hoch und die Toilette, die ich nach der langen Anreise erst einmal aufsuchen musste, war ein kleines Kabuff neben den eigentlichen Gebäuden, nicht einmal in Stehhöhe.

Mit Janas Hilfe stellten sich uns unsere Piloten vor. Vor dem Briefing stand noch ein kurzer medizinischer Check an. Blutdruck und Puls wurden gemessen, dann galt es noch ein paar Fragen zur allgemeinen Gesundheit zu beantworten, eine Unterschrift und dem Flug stand nichts mehr im Wege!

Pilot Alexander erläuterte uns anhand eines Schaubildes das hintere Cockpit des Albatros, in dem wir Platz nehmen durften. Nachdem keine Fragen mehr offen waren, ging es zum Schleudersitz-Simulator. Ein nachgebautes Cockpit, mit dem der Notausstieg simuliert wird. „Jump, jump, jump!!!” lautet das Kommando der Instruktorin. Den Kopf schlagartig gegen die Kopfstütze pressen, an den beiden roten Griffen zwischen den Oberschenkeln ziehen und schon befördert ein Druckluftsystem den Aspiranten auf dem Schleudersitz ca. einen Meter in die Höhe.   

Das war´s. Jetzt wird´s ernst. Mein Pilot, Wing Commander Anatoly Marunko, ging mit mir meine Vorstellungen vom Flugprogramm durch und besprach mit mir die einzelnen Figuren in Englisch.

Beim Einsteigen in die L-39 half mir ein Mitglied der Boden-Crew, ich wurde kunstflugtauglich angeschnallt, setzte mir den Helm auf, überprüfte die Kommunikation zu Anatoly und schon war die Haube zu und er schmiss das Triebwerk an. Vom Lärm der Turbine hört man im Cockpit außer ein gemäßigtes Brummen nichts. 

Bremskeile entfernen, Radbremsen lösen und der Trainer aus dem Hause Letov bewegt sich langsam vorwärts. Riesige Ausschläge der Ruderpedale sind nötig um das Gerät am Boden sauber zu steuern. Die Anlenkung des Bugfahrwerks scheint äußerst träge zu sein. Nach kurzer Zeit auf dem Taxiway, um 12:30 Uhr, stehen wir auf der Startbahn. Die Radbremsen sind angezogen, der Schubhebel wird bis zum Anschlag nach vorne geschoben. Das Triebwerk erreicht den vollen Schub nach kurzer Verzögerung, Anatoly löst die Bremsen und der farbenfrohe Vogel beschleunigt – und das nicht zu knapp für ein nachbrennerloses Triebwerk. Anatoly brachte uns etwas weiter weg vom Flugplatz und stieg auf 5000 m Höhe. Die ersten drei Figuren (gesteuerte Rolle, Looping und Abschwung) flog er mir jeweils vor und ließ sie mich nachfliegen. Danach hatte ich sein Vertrauen gewonnen und ich durfte nach Ansage selbst turnen. Der Schubhebel blieb allerdings unter seiner Kontrolle.

Im Vergleich zum Segelkunstflug hat man in der Jetfliegerei viel mehr mit den g-Kräften zu kämpfen (einen Anti-g-Anzug trugen wir nicht). Ein Looping dauert ca. vier mal so lange wie mit einem Segelflugzeug. Dazu kommt die aufrechte Sitzposition, durch die das Blut noch schneller aus dem Kopf gedrückt wird. Nach einer aufwärtsgerollten Kubanacht, zeigte Anatoly mir eine ganze gesteuerte Rolle senkrecht aufwärts. Beim Hochziehen erlebte ich meinen ersten Blackout! Als ich ca. eine halbe Sekunde später wieder zu mir kam, leitete mein Pilot gerade die Rolle ein. Die zweite Hälfte des auf- und abwärts gerollten, gezogenen Humptys gehörte dann mir; ich flog einen halben Looping in die Senkrechte abwärts mit einer gesteuerten Rolle. Und siehe da: Dank Pressatmung geht einem „die Lampe“ nicht so schnell aus! Im Anschluss folgen noch Vier- und Acht-Zeitenrollen, Chineese-Loops mit einer und mit zwei Rollen. Dazwischen ein paar Steilkurven. Die Nadel des g-Messers hielt sich die meiste Zeit zwischen 3 und 6 g auf. Fahrtmäßig bewegten wir uns zwischen 300 und 650 km/h. Zugelassen ist das Flugzeug zwischen –4 und +8g, Vne liegt bei 900 km/h.

Bei der L-39 werden die Ruder rein mechanisch angelenkt. Die Steuerkräfte auf dem Höhenruder sind enorm. Ich schätze, dass man eine Kraft aufbringen muss, die ca. 15 – 20 kg entspricht, um den Apparat in einen Looping hineinzuziehen. Das Querruder ist um einiges leichtgängiger und reagiert sehr präzise. Das Seitenruder wird in der Jetfliegerei – zumindest bei den von mir geflogenen Figuren – nicht verwendet. Die Rollrate lässt mit 400° pro Sekunde keine Wünsche offen. Nach ca. 15 min turnen dirigierte mich Anatoly wieder zum Flugplatz zurück. Die Sicht war an diesem Tag leider nicht die Beste, der Flugplatz war während des Kunstflugs nicht mehr zu sehen. Im Gegenanflug übernahm Anatoly wieder den Stick und landete nach genau 30 min „Flugspaß pur“ den Jet sanft in Wjasma.

Auf dem Vorfeld kam die Maschine zum Stillstand und schon kamen einige Leute der Boden-Crew und schoben uns rückwärts auf den Abstellplatz.

Etwas verschwitzt aber endlos glücklich stieg ich aus dem Cockpit. Auch beim Aussteigen legte ein Mitglied der Boden-Crew Hand mit an. Es ist gar nicht so leicht die im Rumpf integrierten Ein- und Ausstiegshilfen mit dem Fuß zu treffen, da man sie nicht sieht. Kurz nach uns landeten auch die anderen beiden L-39, die meine „Reisekollegen“ beförderten. Obwohl einer der beiden mit der Zeit etwas Probleme mit dem Magen bekam, wollte doch niemand auf dieses Erlebnis verzichtet haben! Danach überreichte uns Anatoly ein Zertifikat zur Erinnerung an dieses phantastische Flugabenteuer. Im Anschluss gab es zur Stärkung etwas zu essen, wobei wir unsere Erlebnisse und Eindrücke versuchten in Worte zu fassen. Für mich steht fest: Das wird kein einmaliges Erlebnis bleiben!

 

Am Dienstag ließen wir uns durch das Flugzeugmuseum in Monino führen. Als acht-Mann-starke Truppe traten wir an. Diesmal übersetzte für uns der Russe Pavel, der diese Tour und auch die folgende organisierte. Der Gruppenführer im Museum war Pilot bei den russischen Luftstreitkräften. Aus dem Stehgreif heraus erzählte er uns zu fast allen Exponaten die Entstehungsgeschichte, dabei ließ er technische Daten nicht aus. Da auch unser Übersetzer Pavel ein Flugzeug-Enthusiast ist, konnte er uns ebenfalls Interessantes über die Maschinen erzählen. Von der Voisin, aus der Zeit des ersten Weltkriegs bis zur modernen Su-35 kann man in diesem Museum die russische Luftfahrtgeschichte erleben. Am meisten beeindrucken die riesigen Überschallbomber wie die M-50 oder die Su-100, die komplett aus Titan gebaut ist, da Aluminium bei der angestrebten Geschwindigkeit von 3200 km/h der thermischen Belastung nicht standhalten könnte. Die Nase verdeckt im Flug die komplette Cockpit-Verglasung, es wurde nur nach Instrumenten geflogen.

Ein weiter Gigant der Luftfahrt steht gleich im Eingangsbereich: Der Mil 12 „Homer“. Der zweirotorige Hubschrauber wird von vier Turbinen angetrieben und hat eine Spannweite (über beide Rotoren gemessen) von 67 m!

Zu den exotischen Entwicklungen gehören sicherlich die beiden Su-7, die mit Kufen versehen sind. Die Russen wollten damit einen Begleitjäger für ihre Bomber  schaffen, der auf dem Polareis zum Nachtanken landen kann, wenn es zu einem Angriff auf die USA gekommen wäre. Da gibt es sicherlich noch viel mehr zu berichten, doch das würde den Rahmen sprengen.

Der letzte Tag vor der Abreise führte uns ins Sternenstädtchen. Früher auch „Die grüne Stadt“ genannt, da man relativ viele Grünflächen anlegte. Hier sind die Mitarbeiter samt Angehörige des russischen Raumfahrtprogramms zu Hause. Ein großes Denkmal von Juri Gagarin winkt einem zu, unmittelbar nachdem man in die militärisch gesicherte Stadt eingefahren ist. Ein ehemaliger Mitarbeiter aus der Leitung des Kosmonautentrainings führte uns durch sämtliche Ausbildungs- und Trainingseinrichtungen. Als erstes zeigte er uns die größte Zentrifuge der Welt. Der Abstand zwischen Drehachse und Sitz des angehenden Kosmonauten beträgt 18 m! Die Zentrifuge wird von einem 27 MW starken Elektromotor angetrieben. Bis zu 30 g können mit ihr erreicht werden. Natürlich sind diese extremen Lasten nicht für Kosmonauten gedacht, sondern dienen zur Ermittlung der Belastbarkeit von Geräten und Baugruppen. Im Training müssen Kosmonauten 40 Sekunden lang 8 g aushalten.

Weiterhin bekamen wir den „Swimmingpool“ zu sehen. Ein 12 m tiefes Becken, in dem die Kosmonauten ihre Außenbordeinsätze trainieren. Ein russisches Modul der Raumstation ISS befindet sich derzeit darin, kurz vor unserer Ankunft fand eine Simulation eines Außeneinsatzes statt.

Zudem besitzt das Sternenstädtchen noch ein kleines Museum. Hier konnten wir unter anderem den Nachbau der Mir-Station begutachten, der früher als Simulator der internen Stations-Systeme diente.

 

Mit einer Unmenge an gesammelten Eindrücken, interessanten Infos zur russischen Luft- und Raumfahrt und einer gut gefüllten Speicherkarte meiner Digitalkamera ging es am 23.8. wieder zurück in die Heimat.

Diesen tollen Urlaub werde ich wohl nicht so schnell vergessen und bedanke mich in diesem Sinne noch einmal ganz herzlich bei Philipp und Flavio, dank deren Engagement jeder die Möglichkeit hat, so eine eindrucksvolle Reise zu erleben!  

 


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